Gedanken-Splitter

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DER TOD

 

Zuerst die Farben …

… dann die Menschen.

 

So sehe ich die Welt normalerweise.

Ich versuche es zumindest.

 

Eine kurze Bemerkung am Rande:

 

                        Ihr werdet sterben!

 

Ich bin nach Kräften bemüht, dieser Angelegenheit eine fröhliche Seite zu verleihen, aber die meisten

Menschen haben einen tiefsitzenden Widerwillen, der es ihnen unmöglich macht, mir zu glauben,

so sehr ich auch versuche, sie davon zu überzeugen.

 

Bitte, glaubt mir.

Ich kann wirklich fröhlich sein.

Ich kann angenehm sein.

Amüsant. Achtsam. Andächtig.

 

Und das sind nur die Eigenschaften mit dem Buchstaben „A“. Nur verlangt bitte nicht von mir, nett zu sein.

Nett zu sein ist mir völlig fremd.

 

Mache ich Euch Angst?

Ich bitte Euch inständig – keine Sorge.

Mann kann mir alles nachsagen, nur nicht, dass ich ungerecht bin.

 

Was fehlt?

Natürlich – eine Bekanntmachung, ein Beginn.

Wo ist nur meine Höflichkeit geblieben?

Ich möchte mich ganz förmlich vorstellen,

aber das ist gar nicht nötig.

 

Ihr werdet mich schon bald recht gut kennen; wie bald – das hängt von einer Reihe von Umständen ab.

 

Nur soviel sei gesagt:

Irgendwann einmal werde ich über Euch allen stehen, so freundlich, wie es mir möglich ist.

Eure Seelen werden in meinen Armen liegen.

Auf meiner Schulter wird eine Farbe ruhen.

Sanft werde ich Euch davontragen.

Ihr werdet vor mir liegen.

 

Die Frage ist, welche Farbe die Welt angenommen haben wird, wenn ich Euch holen komme.

Was wird der Himmel uns erzählen?

Ihr wollt wissen, wovon ich mich ablenken muss?

Was mich zum nächsten Punkt bringt.

Es sind die übriggebliebenen Menschen.

Die Überlebenden.

 

Sie sind es, deren Anblick ich nicht ertrage, und in meinem Bemühen, sie nicht anzusehen, versage ich häufig.

Ich konzentriere mich absichtlich auf die Farben, um die Überlebenden aus meinen Gedanken zu verbannen.

Aber hin und wieder werde ich Zeuge, wie die Zurückbleibenden zwischen den Puzzleteilen der Erkenntnis,

Überraschung und Verzweiflung zusammenbrechen.

Sie haben zerstochene Herzen.

Sie haben zerschlagene Lungen.

 

Auszug aus meinem Tagebuch:

 

Eine letzte Tatsache.

 

Ich möchte Euch mitteilen, dass die alte Frau gestern gestorben ist.

Wie die Seele ihres Papas, saß auch ihre Seele aufrecht da.

 

Ihre letzten Visionen galten ihren Kindern, ihren Enkeln, ihrem Ehemann

und der langen Liste aus Leben, die mit ihrem eigenen verwoben waren.

 

Der Tod und das Buch des Lebens.

 

Die alte Frau war verblüfft. Sie nahm das Buch ihres Lebens in die Hand und fragte:

                                                                                               Ist das mein Buch?

                                                                                               Ich nickte.

 

Beklommen öffnete sie ihr Buch des Lebens und blätterte durch die Seiten.

 

                                                                                               Ich kann es nicht glauben ….

 

Obwohl der Text verblasst war, konnte sie ihre Worte noch lesen.

Die Finger ihrer Seele berührten die Geschichte, die vor so langer Zeit geschrieben worden war.

 

Ich konnte mich nur dieser Seele zuwenden und ihr die einzige Wahrheit sagen, die ich kenne.

Und ich sagte es ihr und ich sage es Euch.

Eine letzte Anmerkung Eures Erzählers:

                                                           Ich bin von Menschen verfolgt.

 

 

DAS LEBEN IST EINE REISE

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Mögen sich die Wege
vor Deinen Füssen ebnen,
mögest Du den Wind im Rücken haben.
Möge warm die Sonne
auch Dein Gesicht bescheinen,
Regen sanft auf Deine Felder fallen.
Und bis wir uns wiedersehen,
möge Gott seine schützende Hand
über Dir halten.
~ Irischer Reisesegen ~

TRÄNEN

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Fynn sagt, dass alle Menschen zwei verschiedene Arten von Fenstern haben: die Augenfenster, davon haben sie zwei, und das Herzfenster, davon hat jeder nur eins. Die Augenfenster sind da, um rauszugucken, und das Herzfenster ist da, um nach innen reinzugucken. Wenn man weint, sagt Fynn, dann ist das nicht nur wegen was Traurigem. Es ist auch dafür, dass man mal die Augenfenster putzen muss. Wenn sie dann sauber geworden sind von den Tränen, kann man besser durchgucken, und dann ist die Welt wieder viel heller als vorher. Manchmal guck ich lieber durchs Herzfenster wie durch die Augenfenster. Weil, draußen kenn ich bald alles, was es zu sehen gibt.

Aber wenn ich durchs Herzfenster nach innen reinguck, da seh ich immer Neues. Bei mir auch. Denn von innen, sagt Fynn, kennt sich niemand so gut, wie er seinen Garten kennt oder die Leute von gegenüber. Und das ist, weil das Herzfenster aus anderem Glas ist. Nach draußen, durch die Augenfenster, siehste meistens klarer, findet Fynn. Aber ich glaub, ich seh mit dem Herz besser.

aus: “Anna schreibt an Mister Gott”

 

EIN BLATT

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Es weht der Wind ein Blatt vom Baum,
von vielen Blättern eines.
Das eine Blatt, man merkt es kaum,
denn eines ist ja keines.
Doch dieses eine Blatt allein,
war Teil von unserem Leben.
Darum wird dieses Blatt allein
uns immer wieder fehlen.


~ Rainer Maria Rilke ~

WAS IST STERBEN?

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Ein Schiff segelt hinaus und ich beobachte wie es am Horizont verschwindet. Jemand an meiner Seite sagt: "Es ist verschwunden." Verschwunden wohin? Verschwunden aus meinem Blickfeld - das ist alles. Das Schiff ist nach wie vor so groß wie es war als ich es gesehen habe. Dass es immer kleiner wird und es dann völlig aus meinen Augen verschwindet ist in mir, es hat mit dem Schiff nichts zu tun. Und gerade in dem Moment, wenn jemand neben mir sagt, es ist verschwunden, gibt es Andere, die es kommen sehen, und andere Stimmen, die freudig Aufschreien: "Da kommt es!" … Das ist sterben. ~ Charles Henry Brent

DIE PERLE

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Eine Auster sprach zu ihrer Nachbarin:

"Ich trage großen Schmerz in mir. Schwer ist er und rund, und ich habe große Not."

Die andere Auster antwortete mit überheblicher Selbstzufriedenheit:

"Gelobt sei der Himmel und das Meer, denn ich habe keine Schmerzen. Es geht mir gut, innen und außen."

In diesem Augenblick kam ein Krebs vorbei und hörte die beiden Austern.

Daraufhin sagte er zu derjenigen, die innen und außen unversehrt war:

"Ja, dir geht es wohl gut; doch der Schmerz, den deine Nachbarin in sich trägt,

ist eine Perle von hinreißender Schönheit."

~ Khalil Gibran ~

EIN VOLLES GEFÄSS

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An dem Tag,

wenn der Tod an Deine Tür klopfen wird,
was wirst du ihm anbieten?

Ich werde meinem Gast
das volle Gefäß meines Lebens vorsetzen.

Ich werde ihn nicht mit leeren Händen gehen lassen.

~ Tagore ~

ERINNERUNG

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Je schöner und voller die Erinnerung,
desto schwerer ist die Trennung.
Aber die Dankbarkeit verwandelt die Qual der Erinnerung in stille Freude.
Man trägt das vergangene Schöne nicht wie einen Stachel,
sondern wie ein kostbares Geschenk in sich.

~ Dietrich Bonhöffer ~

WENN ICH WÜSSTE

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Wenn ich wüsste, dass es das letzte Mal ist, dass ich Dich einschlafen sehe,
würde ich Dich besser zudecken und zu Gott beten, er möge Deine Seele schützen.

Wenn ich wüsste, dass es das letzte Mal ist, dass ich Dich zur Türe rausgehen sehe,
würde ich Dich umarmen und küssen und Dich für einen weiteren Kuss zurückrufen.

Wenn ich wüsste, dass es das letzte Mal ist, dass ich Deine Stimme höre, ich würde jede
Geste und jedes Wort auf Video aufzeichnen, damit ich sie Tag für Tag wieder sehen könnte.

Wenn ich wüsste, dass es das letzte Mal ist, dass ich einen Moment innehalten kann,
um zu sagen "Ich liebe Dich", anstatt davon auszugehen, dass Du weißt, dass ich Dich liebe.

Wenn ich wüsste, dass es das letzte Mal ist, dass ich da sein kann, um den Tag mit Dir zu teilen,
weil ich sicher bin, dass es noch manchen Tag geben wird,
so dass ich diesen einen verstreichen lassen kann.

Es gibt sicherlich immer ein "Morgen", um ein "Versehen/Irrtum" zu begehen
und wir erhalten immer eine 2. Chance, um einfach alles in Ordnung zu bringen.

Es wird immer einen anderen Tag geben, um zu sagen: "Ich liebe Dich".
und es gibt sicher eine weitere Chance, um zu sagen: "Kann ich etwas für Dich tun?"

Aber nur für den Fall, dass ich falsch liegen sollte und es bleibt nur der heutige Tag,
möchte ich Dir sagen, wie sehr ich Dich mag.

Und ich hoffe, dass wir nie vergessen:

Das "Morgen" ist niemandem versprochen, weder jung noch alt,
und heute könnte die letzte Chance sein, die Du hast, um Deine Lieben fest zu halten.

Also, wenn Du auf Morgen wartest, wieso tust Du's nicht heute?
Falls das "Morgen" niemals kommt, wirst Du es bestimmt bereuen,
dass Du Dir keine Zeit genommen hast,
für ein Lächeln, eine Umarmung oder einen Kuss
und Du zu beschäftigt warst, um jemandem etwas zuzugestehen,
was sich im Nachhinein als sein letzter Wunsch herausstellt.

Halte Deine Lieben heute ganz fest und flüstere ihnen ins Ohr,
sag' ihnen, wie sehr Du sie liebst, und dass Du sie immer lieben wirst.

Nimm Dir die Zeit zu sagen "Es tut mir leid", "Bitte verzeih' mir",
"Danke" oder "Ist in Ordnung".

Und wenn es kein "Morgen" gibt,
musst Du den heutigen Tag nicht bereuen.

(Dieses Gedicht wurde von Dr. H. Solomon in Gedenken
an die Opfer des 11. September 2001 geschrieben.)

LICHT AM ENDE DES TUNNELS

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Das Licht am Ende des Tunnels sehen ist Dein erklärtes Ziel. Aber wo das Ende dieser Strecke liegt, das kannst Du nur sehr schwer einschätzen, denn Du hast den Tunnel schließlich weder erfunden noch gebaut. Durch Deine Trauer hast Du Dich plötzlich in diesem Tunnel gefunden. Und nun musst Du ihn gedanklich durchschreiten. Du weißt nicht, wie lange dieser Tunnel noch sein wird. Du kannst es nicht wissen. Du weißt nicht, wie dunkel und kalt diese Zeit vergeht und wann dieser Kampf gegen diese Leere endet. Wenn Du im Tunnel denkst, dass es nicht mehr weiter geht, dass die Probleme unlösbar sind und dass alles zerbrochen ist, dann darfst Du doch eines wissen: Am Ende dieses Tunnels erwartet Dich ein neuer Abschnitt Deines Lebens. Der neue Abschnitt wird anders aussehen als der Abschnitt vor dem Tunnel, anders als jener Abschnitt des Wegs, der Dich an diesen gefühlslosen Ort der Leere geführt hat. Nach dem Tunnel warten neue Möglichkeiten auf Dich, ein Leben mit mehr Tiefgang, ein neues Glück. Geh also weiter. Bleib nicht stehen. Geh weiter und hoffe darauf, endlich das Licht am Ende dieses Tunnels zu sehen. Es wird kommen!

TABU-THEMA DEPRESSION

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Leider gilt eine Depression nach wie vor noch als gesellschaftliches Tabu-Thema. Viele Betroffene scheuen sich, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen und viele Angehörige und Freunde wissen nicht, wie sie sich einem depressiven Menschen gegenüber verhalten sollen. Sie fühlen sich unsicher und hilflos, wollen Beistand leisten und dem Kranken nicht noch zusätzlich zur Last fallen. Zusätzlich fürchten sie sich vor den Beleidigungen, dem Schmerz, der Trauer und der Einsamkeit des depressiven Menschen. Was ist der Unterschied zwischen Trauer und einer Depression? Wie erkennt man nun eine Depression? Wie entsteht sie und was kann ich tun? Eine Depression bei sich selbst zu erkennen, ist nicht immer einfach. Als typisch gelten die Schlaflosigkeit und das nächtliche Früherwachen mit dem anschließenden Verfangen in kontinuierlichen Grübel-Schleifen. Weitere Symptome: Stimmungsverlust. Nichts macht mehr Spaß. Hinzu kommt Antriebsmangel, so dass man sich auch zu einfachen Aufgaben wie Einkaufen oder Schreibtisch aufräumen nicht mehr aufraffen kann. Fragt man Depressive, welche Farbe ihr Leben habe, antworten sie meistens, dass alles grau geworden sei. Weit verbreitet ist die Annahme, dass eine Depression durch Trauer gekennzeichnet sei. Dem ist nicht zwangsläufig so. Vermiedene Trauer KANN ein Auslöser sein, aber in einer Depression nimmt man oft kaum Gefühle wahr. Ein weiteres Symptom ist der Lebensüberdruss. Laut einem gängigen Erklärungsmodell entstehen Depressionen durch veränderte Stoffwechselvorgänge im Gehirn. So weisen depressive Menschen im Vergleich zu Gesunden oft eine erniedrigte Aktivität der Neurotransmitter Serotonin, Noradrenalin oder Dopamin auf. Außerdem gehen Wissenschaftler davon aus, dass es eines sogenannten Life-Events als Auslöser bedarf, also einer erschütternden Krise. Ist ein Mensch erst einmal depressiv, sollte er zum Arzt gehen. Denn eine Depression ist keine Stimmungsschwankung und keine Trauerreaktion. Sie ist eine behandlungsbedürftige Krankheit, und wer sich in die Hände eines Facharztes begibt, kann in aller Regel mit einem raschen Behandlungserfolg rechnen. Hierbei kann der Patient zwischen einer medikamentösen und einer gesprächsbasierten Therapie entscheiden oder eine Kombination aus beidem wählen. Vielen Patienten kann mit Antidepressiva aus dem Stimmungstief, der Antriebslosigkeit und der nächtlichen Unruhe herausgeholfen werden. Auf manche Symptome der Depression wirken Medikamente außerdem besser als die Psychotherapie. Schlafstörungen lassen sich durch sie in den meisten Fällen gut beheben, während bei einer Psychotherapie in der Regel deutlich mehr Geduld nötig ist, bis es wieder zum Durchschlafen kommt.

TRAUER IST EINE NORMALE REAKTION

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Nein! Du bist nicht verrückt! Dass Du nach dem Verlust (D)eines geliebten Menschen trauerst, ist ganz normal. Trauer ist eine ganz natürliche Reaktion auf Verlust. Dabei wird die Stärke der Trauer von Mensch zu Mensch unterschiedlich sein. Von den Grundzügen her ist die Trauer aber bei allen Menschen gleich. Während einer Trauerphase fühlt man sich niedergeschlagen, hat kaum mehr Interesse an etwas, ist sehr verletzlich und hat keine Energie und Kraft mehr. Zudem kann die Konzentration gestört sein oder das Gedächtnis nicht mehr so funktionieren wie bisher. Auch körperliche Leiden können auftreten wie zum Beispiel Magen- und Darmstörungen, Appetitlosigkeit, Durchfall oder Schlafstörungen. Die Trauer ist einer Depression also sehr ähnlich. Es gibt jedoch auch Unterschiede zwischen diesen beiden Seelenzuständen. Eine Trauer kann durch Trauerarbeit und den Trauerprozess selbst gemildert und schließlich irgendwann beendet werden. Der Trauerprozess ist wichtig, denn durch die Trauerarbeit kann der Betroffene lernen, sich von Altem zu lösen und sich Neuem zuzuwenden. Durch die Trauer hat der Mensch die Möglichkeit, den Verlust eines geliebten Menschen seelisch zu bewältigen, ohne daran zu zerbrechen. Dabei unterscheiden sich die Riten der Trauerbewältigung in verschiedenen Kulturen. Das Ziel ist jedoch immer das Gleiche: Die Seele soll vor einem schweren Schaden geschützt werden, Schmerzen sollen verarbeitet werden und das innere Bild des Verstorbenen soll für immer im Inneren erhalten bleiben. Man sieht schon den Unterschied zu einer Depression: Die Trauer vergeht normalerweise irgendwann von alleine wieder, wenn manchmal vielleicht auch erst nach einiger Zeit. Eine Depression hingegen bleibt meist bestehen, wenn man nichts dagegen tut. Allerdings sollte auch gesagt werden, dass aus einer Trauer auch eine Depression werden kann, wenn man nicht über den Verlust eines geliebten Menschen hinwegkommt oder wenn mehrere Todesfälle kurz hintereinander vorkommen, so dass man aus der Trauer gar nicht mehr herauskommt. Dann ist es dringend notwendig, professionelle Hilfe zu suchen.

JAHRESRINGE

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Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen,
die sich über die Dinge ziehn.
Ich werde den letzten vielleicht nicht vollbringen,
aber versuchen will ich ihn. ~ Rainer Maria Rilke

Das Bild zeigt den Querschnitt durch einen Baumstamm. Sein Inneres, seine Struktur wird sichtbar: Jahresringe. Wir sehen schmalere dürftige Jahre im Wechsel mit fetteren glücklichen Jahren. Wir sehen den Ursprung in der Mitte. Ring um Ring, Spur um Spur, sind dazu gewachsen zu der Mitte. Die Jahresringe dieses Baumstammes legen sich um diesen Anfang und Ursprung herum, entfaltend und schützend zugleich. Der Baumstamm mit seinen Jahresringen ist ein Symbol für unser Leben. Es beginnt in der MITTE. Im erweiterten Blickfeld nehmen wir die Jahresringe wahr, die sich von dieser Mitte in konzentrischen Kreisen ausbreiten. Der Stamm hat Risse. Er ist verletzt, teilweise bis ins Innerste hinein, bis ins Mark. Aber die Linien der Ringe bleiben, der Stamm zerfällt nicht. Die Linien des Lebens halten sich durch, halten es aus, verkraften die Risse, die Falten, die Furchen, die sich in das Leben eingegraben haben. Die Mitte unseres Lebens ist uns wesentlich: Als Menschen sind wir immer wieder aufgefordert, mit unserem Innersten, unserem Wesenskern, der Mitte unserer Persönlichkeit in Kontakt zu kommen. Das Bild von der Baumscheibe ist ein Stück Natur. Das Holz hat seine Geschichte. Es hat sich entwickelt, es ist gewachsen, das können wir an seinen Jahresringen erkennen. In der Mitte hat das Leben begonnen. Von dort aus ist der Baum gewachsen. Einst war diese Mitte ein dünner, schwacher Stengel, der aus einem kleinen Samenkorn heranwuchs. Der schwache Stengel wurde zur stützenden Mitte, um die sich die Jaresringe anordnen. Diese Mitte ist jetzt stark und fest. Jedes Jahr legt sich ein neuer Ring um den Kern. Er zeigt die Entwicklung , das Größerwerden, das Breiterwerden und das Festerwerden an. Der Ring wächst unter der schützenden Rinde. Dort werden die Kräfte,die Leben geben, herauf - und heruntergeführt. Jeder Ring hat eine andere Form, denn jedes Jahr setzt seine Zeichen. Sonne, Regen und guter Boden sind nie gleichmäßig vorhanden. Was in diesem Jahr geschah, bleibt. Ein gutes Jahr setzt kräftige Zeichen. War es ein sparsames Jahr mit wenig Wachstumskräften, ist der Ring klein und eng. Gab es Konkurrenz von Nachbarbäumen, die dem Baum Luft und Licht nahmen, hat er sich nur zur einen Seite hin ausgeweitet. Verborgen in den Jahresringen liegt die gelebte Zeit. Hinter der groben Rinde wächst still und langsam der Baum. Der Baum ist Symbol unseres Wachstums und unserer Persönlichkeitsentwicklung. Wie der Baum – so sind wir die Geschichte unseres Gewordenseins. Dies gilt es zu würdigen. 

VOM ÄLTER WERDEN

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Ich habe beobachtet: Alle wollen alt werden, aber keiner will alt sein. Dabei hat das Älterwerden durchaus seine sehr guten Seiten. Man streitet sich nicht mehr so viel mit anderen Menschen, weil einen viele Dinge kaum noch berühren. Man führt sein Leben etwas abgeklärter, denn man hat nicht mehr das Bedürfnis wie in jüngeren Jahren, nach Lob und Ansehen zu haschen. Man lässt sich lieber dankbar überraschen von all den kleinen Freuden, die ein neuer Tag bringt. Man sieht sogar die eigenen Falten sehr gelassen, denn sie sind die Spuren eines gelebten Lebens. Gerade für die Lachfalten hat man schließlich wirklich viel Freude investiert, sie zeugen vom eigenen Lebensstil. Wenn man älter wird, muss man nicht mehr denken, man könnte Wichtiges verpassen. Man hat auch aufgegeben, alles haben zu wollen, was die Welt so zu bieten hat. Man lernt, dass es so langsam allmählich an der Zeit ist, dass man  Dinge abgeben sollte. Ein reifes Älterwerden ist ein Geschenk. Das Leben hat uns nach und nach zu dem werden lassen, was wir heute sind. Das darf man durchaus feiern.

ZEIT IST EIN TROPFEN IM MEER DER EWIGKEIT

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Was ist die Ewigkeit? Was kommt nach diesem Leben auf der Erde? Was ist die Ewigkeit? Hier beginnt für mich der Bereich des Staunens. Hier betrete ich als Mensch heiligen Boden. Die Ewigkeit ist der Hintergrund der Zeit. Die Zeit ist wie der Schatten der Ewigkeit. Wenn wir einer Sicht der Ewigkeit mitten in unserem zeitlichen Dasein gewinnen können, dann werden wir vieles aus einer völlig anderen Perspektive sehen. Ewigkeit verstehe ich nicht nur als unendlich lange Zeit. Ewigkeit ist nicht ein nur der Ablauf von Milliarden von Jahren. Nein! Milliarden von Jahren ist immer noch Zeit. Zeit ist Unendlichkeit. Ewigkeit ist das Sein, das nicht an die Zeitlichkeit gebunden ist. Ewigkeit ist die Zeit-los-igkeit. Ewig, das bedeutet raum- und zeitlos zu sein. Die Ewigkeit hat aus meiner Perspektive etwas mit der Dimension der Beziehung zum Schöpfer zu tun. Ewig zu leben bedeutet Eins zu werden mit dem, der uns geschaffen hat. Und das bedeutet, dass ich schon hier und heute, lange bevor ich sterbe, in das Meer der Ewigkeit eintauchen kann. Ich vergleiche dieses Leben in der Zeit gerne mit einem Tropfen. Es ist ein schöner Tropfen. Aber irgendwann wird er eintauchen in das Meer der Ewigkeit, in das Meer der Liebe Gottes. Es ist ein Meer ohne Grund und Ufer, unendlich weit und tief im wahrsten Sinne des Wortes.

AUCH ICH WERDE STERBEN

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Ein Mann, der etwas auf sich hält, sollte seine letzten Worte beizeiten auf einen Zettel schreiben und dazu die Meinung seiner Freunde einholen. Er sollte sich damit keinesfalls erst in seiner letzten Stunde befassen und darauf vertrauen, dass eine geistvolle Eingebung ihn just dann in die Lage versetzt, etwas Brillantes von sich zu geben! ~ Mark Twain



DER GRÖSSTE FEHLER IM LEBEN

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Als ein weiser Mensch gefragt wurde, was der größte Fehler im Leben sei, antwortete er: "Das Problem ist, dass Du denkst, du hast Zeit!" Die Zeit ist frei, aber sie ist unbezahlbar. Du kannst sie nicht besitzen, aber du kannst sie nutzen. Du kannst sie nicht festhalten und sparen, aber du kannst sie ausgeben. Und wenn Zeit einmal verloren ist, kannst Du sie nie wieder zurückbekommen. Die durchschnittliche Person lebt 78 Jahre. 28,3 Jahre unseres Lebens schlafen wir. Das ist fast ein Drittel unseres Lebens, aber 30% von uns kämpfen damit, wirklich gut zu schlafen. 10,5 Jahre unseres Lebens verbringen wir mit Arbeitet, aber mehr als 50% von uns würden ihre derzeitigen Arbeitsplätze gern verlassen. Zeit ist wertvoller als Geld. Du kannst mehr Geld verdienen, aber Du wirst nie mehr Zeit bekommen. Wir verbringen im Durchschnitt 9 Jahre mit Fernsehen und “Sozialen Medien“. Wir verbringen 6 Jahre mit Hausarbeiten. Wir verbringen 4 Jahre mit essen und trinken. Wir verbringen 3,5 Jahre in der Ausbildung. Wir verbringen 2,5 Jahre damit, uns zu pflegen. Wir verbringen 2,5 Jahre damit einzukaufen. Im Durchschnitt verbringen wir 1,5 Jahre im Kindergarten 1,3 Jahre im Pendelverkehr. Da bleiben etwa 9 Jahre übrig. Wie wirst Du diese Zeit verbringen? Steve Job hat gesagt: "Deine Zeit ist begrenzt, also verschwende sie nicht damit, das Leben eines anderen zu leben." Es gibt also eine gute Nachricht und es gibt schlechte Neuigkeiten. Die schlechte Nachricht ist: die Zeit vergeht! Und die gute Nachricht ist, dass Du der Pilot bist. Stellen Dir vor, Du wachst jeden Tag mit 86.400 €uros auf Deinem Bankkonto auf und am Ende des Tages ist alles weg, egal ob Du es ausgegeben hast oder nicht. Und am nächsten Tag bekommst Du wieder 86.400 Euros. Was würdest Du damit machen? Jeden Tag werden 86.400 Sekunden Deinem Lebenskonto hinzugefügt. Am Ende des Tages, wenn sie alle aufgebraucht sind, erhältst Du neue 86.400 Sekunden. Wir würden es niemals verschwenden, wenn es Geld wäre. Warum also verschwenden wir es, wenn es um Zeit geht? Diese Sekunden sind so viel mächtiger als €uros, weil man immer mehr €uros verdienen kann, aber man kann zu seiner Zeit nicht eine Sekunde hinzufügen. Um zu realisieren, was ein Jahr wert ist, frage den Schüler, der das Schuljahr wiederholen muss, weil er zu schlechte Noten hatte. Um den Wert von 1 Monat zu realisieren, frage eine Mutter, die ihr Kind im letzten Monat der Schwangerschaft verloren hat. Um den Wert von 1 Woche zu realisieren, frage den Herausgeber eines Online-Magazins. Um den Wert von 1 Stunde zu realisieren, frage das Paar, das sich in einer weit entfernten Beziehung befindet. Um den Wert von 1 Minute zu realisieren, fragen die Person, die gerade einen Bus, einen Zug oder ein Flugzeug verpasst hat. Um den Wert von 1 Sekunde zu realisieren, frage eine Person, die gerade um eine Haaresbreite einen Unfall gehabt hat und um den Wert von 1 Millisekunde zu realisieren, frage die Person, die gerade bei den Olympischen Spielen den zweiten Platz belegt hat. Wir denken oft, dass es Leute sind, die unsere Zeit verschwenden, aber WIR geben ihnen die Erlaubnis, das zu tun. Lass niemanden eine Priorität sein, wenn alles, was Du für sie bist, eine Option ist. Manche von uns verlieren die Menschen, die uns wichtig sind, weil wir ihre Zeit nicht wertschätzen. Manche von uns erkennen nicht, wie wichtig uns jemand ist, bis sie nicht mehr da sind. In uns allen sind zwei Stimmen. Eine Stimme, die stärken will. Eine Stimme, die expandieren möchte. Eine Stimme, die will, dass wir wachsen. Und dann ist da noch die andere Stimme. Die Stimme, die uns zurückhält. Die Stimme, die uns faul macht. Die Stimme, die uns selbstgefällig macht. Die Stimme, die uns von unserem Potenzial abhält. Jeden Tag, von dem Moment an, in dem wir aufwachen, bis zu dem Moment, in dem wir schlafen gehen, herrscht in uns der Kampf zwischen den beiden Stimmen. Und rate mal, welcher gewinnt? Diejenige, der wir am meisten zuhören. Diejenige, den wir füttern. Diejenige, die wir verstärken. Es ist unsere Entscheidung, wie wir unsere Zeit verschwenden. Es ist unsere Entscheidung, wie wir unsere Zeit nutzen. Leben und Zeit sind die zwei besten Lehrer. Das Leben lehrt uns, die Zeit sinnvoll zu nutzen, und die Zeit lehrt uns den Wert des Lebens. William Shakespeare hat gesagt: "Die Zeit vergeht sehr langsam für diejenigen, die etwas wollen, sehr schnell für diejenigen, die Angst haben, sehr lange für diejenigen, die traurig sind und sehr kurz für diejenigen, die feiern, aber für diejenigen, die lieben, ist die Zeit ewig."

TRAUER – UNTERSCHIEDLICH UND DOCH ÄHNLICH

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Trauer ist für jeden Menschen anders und doch auch für jeden Menschen ähnlich. Wenn ein Mensch stirbt, der uns nahestand, dann ist die Welt mit einem Schlag eine völlig andere. Nichts scheint mehr verlässlich zu sein.  Da ist eine tiefe Trauer. Da kommt manchmal Wut. Da kann Verzweiflung sein oder Selbstanklage. Unverständnis. Man empfindet den Verlust als unfair. Man spürt den Schmerz des Verlusts. Man fühlt sich kraftlos, und ohne jeglichen Antrieb. Wir denken, dass so etwas Schreckliches ausgerechnet uns passieren muss, bis wir irgendwann von anderen Menschen mit ihrer Trauer und ihrem Schmerz hören oder lesen. Dann beginnen wir zu verstehen, dass der Verlust jedes Menschen irgendwie ähnlich und doch auch anders ist. So wie wir Menschen eben auch sind: Einzigartig und anders als jeder andere, und doch auch zutiefst ähnlich in unserem Menschsein. Der Verlust jedes Menschen ist also irgendwie ähnlich und doch auch anders.

Wir alle trauern in unserem Menschsein unterschiedlich. Das kann von verschiedenen Dingen abhängen, wie Alter, Geschlecht, Persönlichkeit, Kultur, Erziehung, Wertesystem, vergangene Erfahrungen mit Verlust, und auch mit dem Unterstützungs-System, das wir haben. Trauer unterscheidet sich bei Familienmitgliedern derselben Familie, weil jede Person eine unterschiedliche Beziehungsebene mit dem verstorbenen Menschen gelebt hat. Wie wir auf den Tod eines Mitmenschen reagieren hat auch damit zu tun, wie wir im generellen auf Krisen in unserem Leben reagieren. Auch was wir sonst noch mit dem Tod eines Menschen verlieren, trägt zur Art der Trauer mit bei. Oft verliert man ja nicht nur den Menschen, auch andere Aspekte unseres Lebens sind betroffen: die Art wie wir bis zu diesem Zeitpunkt gelebt haben, die Beziehung die wir zu diesem Menschen hatten, und was wir gemeinsam geplant hatten. Oft sterben Hoffnungen und Träume mit dem Verlust des geliebten Menschen. Die Art der Trauer hängt auch davon ab, wer der Mensch für uns war (Partner, Elternteil, Kind, Baby, Großeltern, Verwandte, Freunde oder Fremde) Auch der Aspekt, wie man zusammen gelebt hat, spielt in der Trauer eine Rolle. Menschen können uns ganz unterschiedlich viel bedeuten. Auch die Rolle, die ein Mensch in der Familie gespielt hat, spielt in der Trauer eine Rolle. Und auch wann der Tod eintrat, das heißt zu welchem Zeitpunkt im Lebenskreis, sowohl dem des Verstorbenen als auch unserem eigenen. Und auch die Umstände, unter denen ein Mensch stirbt, beeinflussen unsre Trauer. Man trauert anders, wenn jemand Lebenssatt nach einem langen erfüllten Leben friedlich und mit zuversicht einschläft, als wenn der Mensch einen langen und qualvollen Tod stirbt oder sich selbst das Leben genommen hat.

Wir alle trauern in unserem Menschsein ähnlich. Auch wenn unser Verlust so unterschiedlich sein wird, wie wir individuelle Menschen sind, bestimmte Gefühle und Reaktionen sind universell. Normal und vorhersagbar. Es ist hilfreich, wenn wir diese Gefühle und Reaktionen kennen, so dass wir sie besser verstehen und wissen, was uns erwartet, denn dann sind wir besser darauf vorbereitet damit umzugehen. Indem man seiner Trauer Worte gibt und sie so anderen gegenüber zum Ausdruck bringt, entdeckt man, dass man nicht alleine ist mit seiner Trauer. Trauer ist der Rede wert! Hilfreich sind für einen solchen Austausch Trauercafès. Hier trifft man Menschen, die durch ein ähnliches Gefühlslabyrinth taumeln. Man kann Menschen begegnen, die mit ähnlichen Gefühlen zu kämpfen haben und deren Reaktionen auf ihren Verlust den unseren ähneln. In einem solchen Kontext wird uns bewusst, dass wir nicht verrückt oder abnormal sind. Wir lernen, dass andere den Weg der Trauer schon vor uns gegangen sind, dass manche schon weiter darauf vorangekommen sind. Wir entdecken auch, dass es Menschen geben wird, die nach uns kommen werden, und dass es auch Menschen gibt, die auf dem Weg der Trauer gerade auf der genau derselben Wegstrecke sind wie wir. Hier können wir entdecken, dass wir viel voneinander lernen können. Es kann zu einem Ort werden, an dem wir als Trauernde einanander Hoffnung schenken können und so unseren Weg durch die Trauer finden. Wir alle trauern in unserem Menschsein unterschiedlich, und doch ähnlich.

IM GOLD DER MORGENDÄMMERUNG

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So lange ich jung war,
waren die Tage im Überfluss vorhanden.
Wie billige Ware waren sie
oder eine Handvoll Bonbons –
so sorglos ging ich mit ihnen um.
Jetzt ist mein Vorrat geschrumpft
und ihr Wert ist gestiegen.
Im Gold der Morgendämmerung
wird jeder neue Tag zu einem kostbaren Gut.
Plötzlich gehe ich mit meiner Zeit ungewohnt sparsam um
und ich empfinde die Stunden
wie Liebende den Augenblick.
Eine ganze Woche ist ein neues Glück,
und jeder einzelne Tag
hat sein Gewicht und seine Bedeutung.
~ Jürgen Schöndorf

DER ZUG DES LEBENS

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Vor einiger Zeit las ich ein Buch, worin das Leben mit einer Zugreise verglichen wurde. Eine sehr interessante Lektüre. Da hieß es: Das Leben ist wie eine Reise im Zug: Man steigt oft ein und aus. Es gibt Unfälle. Bei manchen Aufenthalten angenehme Überraschungen und tiefe Traurigkeit bei anderen. Wenn wir geboren werden und in den Zug einsteigen, treffen wir Menschen, von denen wir glauben, dass sie uns während unserer ganzen Reise begleiten werden: unsere Eltern. Leider ist die Wahrheit eine andere. Sie steigen bei einer Station aus und lassen uns zurück. Dann fehlt uns ihre Liebe und Zuneigung, ihre Freundschaft und ihre Gesellschaft. Allerdings steigen mit der Zeit auch andere Personen in den Zug ein, die für uns sehr wichtig werden. Es sind unsere Geschwister, unsere Freunde und dann diese wunderbaren Menschen, die uns und die wir lieben. Manche dieser Personen, die einsteigen, betrachten die Reise als kleinen Spaziergang. Andere finden nur Traurigkeit auf der Reise. Und es gibt wieder andere im Zug, die sind immer da und sind bereit denen zu helfen, die es brauchen. Manche hinterlassen beim Aussteigen eine immerwährende Sehnsucht. Manche steigen ein, und wieder aus, und wir haben sie kaum bemerkt. Es erstaunt uns, dass manche der Passagiere, die wir am liebsten haben, sich in einen anderen Waggon setzen und uns die Reise in diesem Abschnitt alleine machen lassen. Selbstverständlich lassen wir uns nicht davon abhalten, die Mühe auf uns zu nehmen, sie zu suchen und uns zu ihrem Wagon durchzukämpfen. Leider können wir uns manchmal nicht zu ihnen setzen, da der Platz an ihrer Seite schon besetzt ist. Wir versuchen mit unseren Mitreisenden gut auszukommen und suchen das Beste in jedem von ihnen. Wir erinnern uns daran, dass in jedem Abschnitt der Strecke einer der Reisegefährten schwanken kann und möglicherweise unser Verständnis braucht. Auch wir schwanken manchmal und sind dann dankbar, dass es Menschen gibt, die uns verstehen. Das große Mysterium der Reise ist, dass wir nicht wissen, wann wir endgültig aussteigen werden und genau so wenig, wann unsere Mitreisenden aussteigen werden. Wir wissen es nicht einmal von dem, der gleich direkt neben uns sitzt. Ich glaube, wir werden wehmütig sein, wenn wir spüren werden, dass auch wir für immer aus dem Zug aussteigen. Die Trennung von Freunden, die wir während der Reise getroffen haben, wird schmerzhaft sein. Unsere Liebsten allein zurückzulassen, wird sehr traurig sein.

Aber ich habe die Hoffnung, dass wir alle irgendwann im Zentralbahnhof ankommen. Ich hoffe, wir werden uns wiedersehen und jeder von uns wird Gepäck mitbringen, das wir beim Einsteigen noch nicht hatten: Erfahrungen, Freundschaften, Charakter, unsre Bemühungen der Liebe und unsre guten Werke. Was mich glücklich machen wird, ist der Gedanke, dass ich mitgeholfen habe das Gepäck zu vermehren und wertvoller zu machen.

Schauen wir darauf, dass wir eine gute Reise haben und das sich am Ende die Mühe gelohnt hat. Versuchen wir, dass wir beim Aussteigen einen leeren Sitz zurücklassen, der Sehnsucht und schöne Erinnerungen bei den Weiterreisenden hinterlässt. Ich wünsche uns allen eine „Gute Reise!“

DER LEBENSFADEN

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Über viele Jahre habe ich nun Tag für Tag an meinen Lebensfaden gestrickt. An manchen Tagen war mein Tagwerk liebevoll und sorgsam und man hat mir angemerkt, welche Freude es mir bereitet hat, mein „Lebenswerk“ mitzugestalten. An anderen Tagen habe ich mühevoll und ungern daran gearbeitet und auch das konnte man mir anmerken. Man hat bemerkt, welche Kraft und Mühe es mich gekostet hat, den Lebensfaden jeden Tag neu aufzunehmen. An manchen meiner Tage habe ich ein kompliziertes Strick-Muster gewählt, und war dann stolz darauf, was mir gelungen ist. An anderen war es ein ganz schlichtes Muster und es ist mir trotzdem nicht gelungen. Manche Tage waren wie ein ganz buntes Maschenwerk, an anderen Tagen war es ein Stück in tristen Farben. Nicht immer konnte ich die Farben selber wählen, und auch die Qualität der Wolle wechselte - mal war alles weich und flauschig, mal war es grau und kratzig. Oftmals habe ich die eine oder andere Masche fallen gelassen und manche Maschen fielen auch ohne mein Zutun. Dann blieben Löcher zurück und ein unvollständiges Muster. Manchmal riss bei mir auch ein Faden und dann half nur ein Knoten. Wenn ich mein Leben rückwirkend betrachte, weiß ich ganz genau, welche Stellen das sind. Es gab auch Zeiten in meinem Leben, wo ich mein Strickzeug am liebsten in die Ecke geworfen hätte. Ich glaube, es ist gut, dass es uns verborgen bleibt, wie viel Lebensfaden wir noch zu stricken haben. Aber solange wir die Nadeln noch in der Hand haben, können wir das Muster wechseln, die Technik und das Werkzeug. Nur aufribbeln können wir nichts, nicht einmal ein kleines, winziges Stück. Was gestrickt ist, ist gestrickt. Und wie es auch geworden sein mag, das Strickzeug unseres Lebens, es ist und bleibt einmalig. Nicht perfekt, aber voller Kostbarkeiten. Im Laufe der Zeit haben sich Knoten und Verdrehungen aufgelöst, Fehlendes wurde ergänzt. Laufmaschen haben sich in Muster verwandelt. Mein Strickzeug wurde eingefügt ins Ganze eines großen Schöpfungsmusters. Dass ist meine Zuversicht.

FRAGEN ÜBER FRAGEN

um über das Leben, den Tod und das Sterben nachzudenken

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Es kann sehr hilfreich sein, sich ab und zu mit dem Sterben zu beschäftigen. Denn eines ist sicher - irgerndwann wird der Tod uns alle heimsuchen.Meine Beobachtung ist, dass Menschen, die sich ab und an auf dieses Thema einlassen, tiefgründige Gesprächspartner sind. In dem Ort, an dem ich lebe findet regelmäßigen Abständen ein sogenanntes "Death-Cafe" statt. Dort kommen Menschen aus allen möglichen Hintergründen etwa einmal im Vierteljahr zusammen, um sich zwanglos über das Leben, das Sterben, den Tod und die Trauer auszutauschen. HIER SIND EIN PAAR FRAGEN, überdie man in solch einem Treffen zum Beispiel unterhält:

 

Der Tod: wer oder was ist das für mich?

 

Wenn ich wüsste, dass ich in 10 Tagen sterben werde: Was würde ich tun?

 

Gibt es so etwas wie einen „schönen Tod“ für mich und wie sieht dieser für mich aus?

 

Bereite ich mich auf mein eigenes Sterben vor? Wenn ja, wie?

 

Wie hängen für mich Tod und Religion/Glaube/Spiritualität zusammen?

 

„Einen kleinen Tod sterben“: Kenne ich das? Was bedeutet es für mich?

 

Welche persönlichen Erfahrungen habe ich mit dem Tod/Sterben gemacht?

Was habe ich dabei erlebt/gefühlt/gedacht?

 

Wie präsent ist das Thema Tod und Sterben in meinem alltäglichen Leben, in meinem Denken, Sprechen, Fühlen oder Handeln?

 

Was soll einmal auf meinem Grabstein stehen?

 

Könnte ich jetzt im Moment ruhig sterben? Warum? Warum nicht?

 

Welche Rolle hat der Tod in meinem bisherigen Leben gespielt?

 

Lese ich Todesanzeigen in der Zeitung? Warum? Warum nicht?

 

Was fühle und denke ich, wenn ich vom Tod anderer Menschen erfahre?

 

Mache ich einen Unterschied zwischen Sterben und dem Tod?

Habe ich vor dem einen oder dem anderen (mehr) Angst?

 

Habe ich überhaupt Angst? Wenn „Ja“, warum? Wenn „Nein“, warum nicht?

 

Wenn ich die Wahl hätte, was wäre mir lieber: ein plötzlicher Tod oder ein absehbares Sterben?

 

Wie stehe ich zum Leben nach dem Tod?

 

Wie wirkt sich diese Sichtweise auf meine Gefühle und Haltungen zum Tod aus?

 

Habe ich mich bereits mit Fragen meiner Bestattung und entsprechender Rituale beschäftigt?

 

Welche meiner Fähigkeiten und Eigenschaften möchte ich bis zu meinem Ableben verändert haben?

 

Welche Hinterbliebenen werden meinen Tod betrauern? Was bedeutet mir das? Hat das womöglich Auswirkungen auf mein jetziges Leben?

 

Was denke und fühle ich, wenn ein Tier stirbt?

 

Was möchte ich unbedingt noch tun oder erleben, bevor ich sterben muss?

 

Möchte ich unsterblich sein? Warum? Warum nicht?

 

Wenn ich in einer Partnerschaft lebe: Möchte ich als erste(r) sterben?

Oder möchte ich lieber der überlebende Teil sein? Warum?

 

Was gefiel, bzw. missfiel mir an den Trauerfeiern, die ich bereits erlebt habe.

 

DER BODEN UNTER DEN FÜSSEN

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Wenn man einen geliebten Menschen verliert, dann verliert oft auch den Boden unter den Füßen. Viele verstehen Dich nicht in Deiner Trauer. Menschen wollen, dass Du Dich auf eine bestimmte Art und Weise verhältst. Sie wollen Dinge von Dir wissen oder haben, aber Du fühlst Dich im Moment einfach nur überfordert. Es gibt so vieles zu erledigen, aber Deine Zeit, und vor allem Deine Kraft ist begrenzt. Du merkst, dass Du den Überblick verlierst und überhaupt nicht mehr weißt, wo man anfangen und wo man aufhören soll. Du kommst ins Rotieren, reagierst genervt, verdrängst und vergisst Dinge, weißt nicht mehr, wo Dir der Kopf steht. Du merkst, Du hast den Boden unter den Füßen verloren. Was nun? Was in der Regel hilft, ist einen Gang runter zu schalten, entschleunigen, und sich (vielleicht ganz neu, oder aber auch wieder) darauf besinnen, was für Dich der Boden ist, der Dich trägt. Was sind Deine unerschütterlichen Lebensfundamente? Was trägt Dich, wenn Dein Leben Halt braucht? Was sind Deine Anker im Sturm? Ich wünsche dir von Herzen, dass Du ganz klar für dich definieren kannst, was Dich in der Zeit Deiner Trauer trägt.

IM LABYRINTH DER TRAUER

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Wenn ein geliebter Mensch stirbt, dann gerät die eigene Welt aus den Fugen. Erinnerungen und Erlebnisse mit dem Menschen, der gegangen ist, prägen uns und unsere Bindungen mit anderen. Und so individuell diese Bindungen sind, so individuell ist auch unsere Trauer, wenn wir einen Menschen verlieren. Wir alle trauern unterschiedlich, und doch wieder irgendwie ähnlich. Zuerst einmal sind wir geschockt. Wir wollen es nicht wahrhaben. Wir fühlen uns wie betäubt und erstarrt. Doch das kann irgendwann ganz schnell umschlagen. Plötzlich brechen alle möglichen Gefühle hervor: Wut. Angst. Freude. Zorn. Alle auf einmal. Durcheinander. Man fühlt sich ohnmächtig, sucht nach einer Erklärung. Und man gibt vielleicht sogar sich selbst oder anderen die Schuld an dem, was passiert ist. Da ist das reinste Gefühlschaos. Man befindet sich im Labyrinth der Trauer. Wenn man sich im Labyrinth der Trauer befindet, dann gibt es keine Phasen, sondern nur ein Durcheinander. Dass die Trauer in verschiedenen Phasen verläuft, dass der Trauernde einen Weg zu gehen habe, der ihn über verschiedene Stationen führt, das sind oft benutzte Bilder. Aber wie muss man sich das vorstellen? Welche Phasen gibt es? Wie sieht er aus, dieser Weg? Und: Gibt es tatsächlich ein Ziel? Es war die Psychiaterin Elisabeth Kübler-Ross, die bereits in den 60erJahren erste Anläufe unternahm, den Trauerweg in verschiedene Phasen einzuteilen - wobei sie diese Phasen zunächst für den Prozess eines langsamen Sterbens definiert hatte. Ihr Modell dürften viele noch kennen - auch ich habe es seinerzeit so vermittelt bekommen: 1. Nicht-wahrhaben-wollen. 2. Wut und Aggression. 3. Auflehnung und Verhandeln. 4. Emotionales Durcheinander bis zur Depression und schließlich 5. Akzeptanz. Doch das Modell hat so seine Tücken. Beispielsweise die dadurch vermittelte Vorstellung, man durchlaufe verschiedene Räume, verschiedene Stufen, die aufeinander aufbauen, aber in sich abgeschlossen sind - wie die Erfahrungen mit Trauernden dann zeigten: Dem ist nicht so. Stattdessen gibt es ein großes Durcheinander verschiedenster Prozesse. Manchmal sogar innerhalb eines Tages. Wut und Aggression tauchen ebenso in Schüben auf, wie Phasen großer Ohnmacht und Hilflosigkeit. Das alles verläuft mehr in parallelen Wellenbewegungen, fast wie „Gezeiten". Es ist eben kein passives Durchschreiten von sich irgendwie einstellenden Phasen, sondern es sind aktiv zu leistende Aufgaben der Trauer, ein aktives (Mit-) Steuern eines Entwicklungsprozesses. Es gibt Aufgaben innerhalb eines Trauerprozesses. Dazu mehr in einem nachfolgenden Blog-Beitrag.

VOM BEGREIFEN

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Eine der schwierigsten Aufgaben im Trauerprozess ist es überhaupt begreifen zu können, was da geschehen ist. Begreifen, dass ein eben noch vitaler Mensch völlig unerwartet einfach nicht mehr lebt. Der Mensch ist nicht mehr da. Er fehlt. Es gibt Menschen, die können sehr pragmatisch damit umgehen und zur Tagesordnung übergehen, aber der Großteil der Menschen schafft es schwer, gedanklich und emotional hinterherzukommen. Mit einem Mal wird es auf drastische Weise klar, dass man sich vorher vielleicht nie wirklich mit dem Tod auseinandergesetzt hat. Um wirklich begreifen zu können, was der Tod eigentlich ist und tut, braucht es einen natürlichen Umgang damit. Es ist immer erschwerte Trauer, wenn ich nichts habe, was das Begreifen möglich macht. Was das Begreifen erschwert ist die enorme Hektik, mit der heutzutage ein Trauerfall abgewickelt sein sollte und sein muss. Denn das ist das Wichtigste, was man zum Thema Begreifen eben begreifen muss: Es braucht Zeit. Viel, viel Zeit. Und viel Geduld. Mit sich selbst und mit der Welt. Was Trauernde leisten, sind eben nicht nur Phasen, es sind Aufgaben. Der Tod eines lieben Menschen gibt uns Aufgaben auf. Es ist eben kein passives Durchschreiten von sich irgendwie einstellenden Phasen, sondern es sind aktiv zu leistende Aufgaben. Daher kommt der Begriff „Trauerarbeit“. So erleben das wirklich viele. Und die erste Aufgabe eben, ist: Das Begreifen. Was leichter gesagt ist als getan. Was den Verstand schon erreicht hat, das ist noch lange nicht in der Seele angekommen. Gibt es irgendwann im Trauerprozess einen Augenblick, wo man aus vollem Herzen sagen kann: "Ja, es ist wahr, jetzt habe ich es wirklich begriffen, mein geliebter Mensch lebt nicht mehr?" Die Antwort ist: Ja und Nein. Der Verstand hat es vielleicht begriffen, dass der geliebte Mensch nicht mehr lebt, als er aufgehört hat zu atmen, aber das Herz sagt: ,Ich verstehe die Frage nicht… wie soll ich begreifen, dass er nicht mehr lebt? Er ist doch noch immer noch da? Schau, hier, hier tief drin in mir ist er doch noch?' Hier lässt sich ablesen, wie schwer das ist mit dem Begreifen. Vielleicht sogar unmöglich. Wenn man sowas wie Glück hat - aber wer hat das schon, wenn es um den Tod geht? -, durfte man ein paar Dinge erleben, die einem das Be-Greifen bei aller Schwere leichter gemacht haben. Rituale können helfen. Es muss gar nichts Außergewöhnliches sein. Zum Beispiel: Beim Sterben dabei sein zu dürfen. Wer erleben kann, wie der Tod eintritt, der ist einer Annäherung an ein Verstehen näher als derjenige, für den das eine abstrakte Nachricht ist. Den toten Menschen erleben können. Ihn sehen, anfassen, eben auch greifen zu können, das kann auch hilfreich sein, aber es kostet natürlich Überwindung. Und unsere Gesellschaft hat derzeit - das kann sich wieder ändern - das Gespür dafür verloren. In früheren Zeiten waren Aufbahrungen des gestorbenen Menschen im eigenen Zuhause etwas ganz Normales. Instinktiv gesehen geht es dabei eben auch ums Begreifen. Den Sterbeprozess als eine sich vollziehende Entwicklung erleben zu können kann auch beim Begreifen helfen. Bei langen Krankheiten beispielsweise ist das manchmal möglich. Hilfreich daran ist erstens, dass mit dem Sterben auch ein schleichender, langsamerer Abschiedsprozess einhergeht und zweitens, dass die Erkenntnis vom Sterben des Menschen tröpfchenweise in einen einsickern kann. Wo Menschen plözlich aus dem Leben gerissen werden, ist das nicht vergönnt - da fällt das Begreifen ungleich schwerer, weil die Plötzlichkeit und das Abrupte des Todes immer im Mittelpunkt steht. Auch vorher über das Sterben gesprochen haben zu können, kann helfen beim Begreifen. Wie stellst Du Dir Deine eigene Trauerfeier vor? Was ist der Tod für Dich? Glaubst Du, dass es ein Danach gibt? Wer solche und ähnliche Fragen schon vorab hat besprechen können, lässt die Menschen um sich herum nicht mit ganz leeren Händen zurück. Das macht eine Annäherung an das Thema auf einer anderen Ebene möglich.

WARUM ÜBER TRAUER REDEN?

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Als Trauerredner führe ich viele Trauergespräche und ich tue das gern. Durch all die vielen Gespräche, die ich mit Trauernden geführt habe weiß ich, wie wichtig es für Betroffene ist, sich über ihren Verlust und den Umgang damit auszutauschen. Leider stehen sie mit dem Tod eines geliebten Menschen oft alleine da, denn für jene, die gerade nicht davon betroffen sind, sind nicht nur andere Themen wichtiger, sondern Tod und Trauer werden als Gesprächsthemen eher vermieden. Einerseits aus Angst, verletzende Bemerkungen zu machen, den anderen zum Weinen zu bringen und noch trauriger zu machen oder aus Angst davor, selbst traurig zu werden. Trauer ist ein sehr starkes Gefühl. Und bei so vielen Todesfällen jedes Jahr muss eigentlich klar sein, wie viele davon betroffen sind und jeden Moment davon betroffen sein können. Ein Kalender wie dieser soll mit dazu beitragen, dass Trauer sichtbar und gesellschaftsfähig wird. Es soll bewusst machen, dass Trauern etwas Normales ist. Es soll vor Augen malen, dass auch wenn es schwerfällt, Trauer zum Alltag dazu gehört. Meiner Meinung nach sollte Trauer aber nicht alleine im stillen Kämmerlein ausgehalten werden müssen, es sei denn, man möchte es so. Trauer ist lebendig, sie ist nicht ansteckend und auch nicht gefährlich. Im Gegenteil: sie bringt uns unseren Gefühlen wieder näher, sie erinnert uns daran, was uns wirklich wichtig ist und sie verändert unseren Fokus. Wenn die Trauer uns auch für eine Zeitlang fest im Griff hat, sie kann und will uns zum Guten verändern. Und auch wenn wir dieses schwere Gefühl nicht haben wollen, ist sie da und wird so lange es nötig ist zu unserem sicheren Begleiter. Wenn wir sie einlassen und ihr zuhören, kann sie uns helfen, schwerste Verluste zu verarbeiten und mit ihnen zu leben. Teilen wir unsere Trauer mit denen, die ebenfalls darüber sprechen wollen, dann wird sie wieder zu einem ganz normalen Gefühl, das wir alle einmal haben können und dürfen. Trauer gehört dazu. Über Trauer nachzudenken und zu reden triff auf eine enorme Resonanz, die zeigt, wie groß der Bedarf ist, darüber zu sprechen, sich auszutauschen und sich gegenseitig zu unterstützen. Meine Hoffnung ist, dass Sie durch das Nachdenken und Reden über Ihre Trauer schaffen, die Trauer in Ihrem Leben zu integrieren und das Beste daraus zu machen. Deshalb habe ich diesen Kalender mit 365 Impulsen für den Alltag mit der Trauer geschrieben. Im Vertrauen, dass alles Gut werden kann. Ich würde mich freuen, wenn dieser Trauer-Kalender mit seinen Texten Dich berühren und zum Nachdenken anregen könnte – und vielleicht auch zu einem offenen Umgang mit Tod und Trauer beitragen kann. Vielleicht hilft es in dem Chaos der Gefühle.

 AUFGABEN IN DER TRAUER

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Die Aufgaben der Trauer sind ein Weg durchs Labyrinth. Immer anders, scheinbar gleich, niemals linear. Und doch irgendwie ein Weg. Die erste Aufgabe in der Trauer ist zu funktionieren! Erstmal gucken, dass die simpelsten Dinge des Alltags irgendwie aufrecht erhalten bleiben. Also sowas wie Aufstehen. Oder auch nur Atmen. Das fällt manchen schon schwer genug, wenn die Ohnmacht des Todes - welcher Art auch immer - einen niederdrückt. Der Tod eines anderen macht sprachlos und fassungslos und drückt einen nieder. Einfach nur funktionieren ist da oft erstmal schwer genug. Die zweite Aufgabe in der Trauer ist das Begreifen. Das ist leichter gesagt als getan. Diesem Thema habe ich in einem vorherigen Blogbeitrag schon gewidmet. Grob gesagt geht es darum, die Tragweite des Verlusts zu akzeptieren, diesen als neue Realität anerkennen zu lernen. Der oder die Gestorbene ist tot, wird nicht wiederkehren, das muss erstmal verinnerlicht werden. Oft geht das nur in ganz kleinen Stücken oder ganz kleinen Schritten, oft berichten Trauernde, dass der Verstand dort weiter ist als das Herz es jemals sein könnte. Die dritte Aufgabe in der Trauer ist es Gefühle zu durchleben und die Schmerzen zu erfahren. Alle Schmerzen und die Verzweiflung zulassen, sie auszuleben, wahrzunehmen, nicht wegzudrücken, darum geht es. Das ist oft besonders schwer, weil das Umfeld von Trauernden hier ungerne mitspielt. Oft steht dem eine Erwartungshaltung entgegen, die besagt: „Komm, sei doch mal wieder normal!“ Aber normal ist nun einmal nichts in einem Trauerprozess, also in einem Prozess, der ja nun gerade das als unnormal erlebte aufzuarbeiten wünscht. Es ist in Ordnung, all das zuzulassen, was da ist, ja, es sozusagen zu durchschreiten: Gelähmt sein oder um sich schlagende Verzweiflung. Niedergeschlagenheit oder Aggression. Wohl dem, der bei dieser Aufgabe Menschen um sich hat, die die aufkeimenden Gefühle gut einordnen können. Die vierte Aufgabe in der Trauer ist Neuorientierung und weiteres Suchen. In anderen Worten: Das Verändern. Stellen wir uns so ein Mobile vor, das man irgendwo aufhängen kann. An jedem Fädchen von diesem Mobile hängt ein Teil, jeweils zwei Teile hängen sich gegenüberliegend an einer Stange, diese verschiedenen Haltestangen jeweils sind ebenfalls geschickt hineingefügt in dieses ganze System. Solange alles so bleibt, wie es ist, kann sich das Mobile hin- und herbewegen und es ist hübsch anzusehen. Schneiden wir nun aber eines der hängenden Teile hinaus, gerät dieses komplette System in ein Ungleichgewicht und in eine Unordnung. Alle Bewegungen dieses Mobiles wirken jetzt unkoordiniert und vermutlich ein bisschen hilflos. Genau so ist das auch, wenn ein Mensch stirbt - betroffen davon ist aber ein ganzes System aus vielen Komponenten. Und das gerät in ein Ungleichgewicht. Es muss sich erst wieder neu orientieren, sich neue Stabilitäten suchen, fast alles muss sich neu zusammenfügen. Das braucht Zeit und das ist eine der Aufgaben, vor denen Menschen in einer Verlustkrise oft stehen. Menschen, die einem früher gutgetan haben, wenden sich plötzlich von einem ab, andere tauchen auf, die hilfreich sind. Hobbies, die man gepflegt hat, machen keine Freude mehr. Dafür tut es einem plötzlich gut, stundenlange Spaziergänge zu machen. Das ganze Leben muss sich neu ordnen - und der in einer Verlustkrise steckende Mensch sieht sich vor der Aufgabe, diese Sortierungen vorzunehmen. Darum geht es. Die fünfte Aufgabe in der Trauer: Der oder dem Toten einen neuen Platz zuweisen. Was das bedeuten kann, macht der britische Autor Julian Barnes in einem Satz deutlich: "Das können diejenigen, die den Wendekreis des Leids noch nicht überschritten, oft nicht verstehen - wenn jemand tot ist, dann heißt das zwar, dass er nicht mehr am Leben ist, aber es heißt nicht, dass es ihn nicht mehr gibt." Und darum geht es bei dieser Aufgabe: Es geht eben nicht, wie es Außenstehende einem oft empfehlen, um ein "Loslassen", aber eben auch nicht um ein krampfhaftes "Festhalten". Stattdessen ist es hilfreich, dem Verstorbenen einen gefühlsmäßigen (oder auch tatsächlichen) Platz zu geben, einen Ort, wo man weiß, dass man ihn oder sie finden kann. Dass so etwas funktionieren kann, spiegeln mir die Menschen, die ihre eigenen Verlusterfahrungen schon vor vielen Jahren gemacht haben, so hart sie auch gewesen sein mögen (verlorene Kinder, beispielsweise): Dass die Trauer niemals so ganz aufhört, dass aber der Schmerz in Intensität verliert, dass das Leben wieder einen neuen Mittelpunkt und eine neue Balance finden kann, auch wenn es keinen Tag gibt, an dem man nicht an den oder die Verstorbenen gedacht hat. Weil die Toten auch im Leben der Hinterbliebenen ihren neuen Platz gefunden haben.

„Die Stufen!“ von Hermann Hesse

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Wie jede Blüte welkt und jede Jugend,
dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe,
blüht jede Weisheit auch und jede Tugend,
zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern.

Es muss das Herz bei jedem Lebensrufe,
bereit zum Abschied sein und Neubeginne,
um sich in Tapferkeit und ohne Trauern,
in andre, neue Bindungen zu geben.
Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.

Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten,
an keinem wie an einer Heimat hängen.
Der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen,
Er will uns Stuf' um Stufe heben, weiten.
Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise
und traulich eingewohnt,so droht Erschlaffen,
nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise,
mag lähmender Gewöhnung sich entraffen.

Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde
uns neuen Räumen jung entgegensenden.
Des Lebens Ruf an uns wird niemals enden ...
Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!

   
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